I’m so hyped! Wer von uns kennt es nicht: Da rauscht ein Hypetrain an und noch bevor er überhaupt richtig eingelaufen ist, haben wir schon das Ticket in der Hand und springen freudig auf. Marketing funktioniert offensichtlich, ob wir wollen oder nicht. Blöd bei der Sache ist nur, dass wir, grade aktuell, doch auch gerne mal enttäuscht von eben jenen überhypten Produkten sind. Böse, böse Spiele, die einfach nicht unseren Erwartungen entsprechen – oder liegt der Fehler vielleicht woanders?
Never be hyped
Um mal ein aktuelles Beispiel rauszugreifen: The Order 1886. Selbst gespielt habe ich es, mangels PlayStation 4, nicht. Ich bin allerdings so anmaßend, Spiele auch unabhängig davon ein wenig beurteilen zu können. Mir entgehen vielleicht ein paar Feinheiten (Hat die Steuerung eine Latenz? Wie stark wirkt vielleicht vorhandener Autoaim?), doch wen man so ein paar hundert Games selbst gezockt hat und einen beliebigen Titel dann mal ein paar Stunden in diversen Livestreams und Co. zuschaute, darf man das auch. Doch zurück zum Thema.
Natürlich hab auch ich die Ankündigung mitbekommen. Ich schaute eine kleine handvoll Trailer. Ich gebe zu: So ganz war das Ding nicht auf meinen Radar. Im Gegensatz zur vielen anderen spricht mich Steampunk persönlich einfach nicht so an, ganz uninteressant fand ich es allerdings auch nicht. The Order blieb also ein Titel, der halt irgendwann kommen sollte, für eine Plattform, die ich eh nicht besaß, also insgesamt eher irrelevant. Was ich allerdings mitbekam, waren viele Vorschusslorbeeren – und auch Kritik.
Grafik hui, Spiel pfui! Viel zu kurz! Alles doof und überhaupt! Das ist so etwa das, was ich kurz vor Release und auch passend zum Release dann hörte. Nachdem ich dann wie erwähnt so ein paar Stunden zugeschaut hatte stellte sich mir die Frage: Was ist denn daran jetzt alles so verkehrt? Offensichtliche Mängel konnte ich nämlich nicht wirklich ausmachen.
Erwartungshaltung
Nur um das an dieser Stelle deutlich zu machen: Ich rede hier nicht von einem Titel, der bei Erscheinen voller Bugs und quasi unspielbar war. Es ist vielmehr der Hype als solches, der mich fasziniert. Da tun Leute dann so, als käme der Spiel- gewordene Messias – nur um hinterher ernüchtert festzustellen, dass es doch nur einer von vielen dahergelaufenen Propheten sein sollte. Was ich mich dann frage: Warum lernt die Masse offenbar so wenig aus dem eigenen Fehler?
Damit wir uns hier nicht falsch verstehen: Ja, das ist sehr doof, wenn die Werbung was verspricht und hinterher genau das nicht eingehalten wird. Vielleicht habe ich ja auch an dem Punkt irgendwas verpasst, nur: The Order 1886 ist ziemlich genau das geworden, was es auch werden wollte. Ein Grafikbrett. Ein Spiel, was recht linear eine Geschichte erzählt, und das nach einer gewissen Spielzeit vorbei ist. Nun… wurde da denn was anderes angekündigt? Man kläre mich gerne auf, sollte ich hier weit daneben liegen, wenn ich sage: Jeder hat bekommen, was versprochen war.
Klar, da gab’s viel Werbung, die eben jenes Spiel als den nächsten großen Brecher anpries – gekommen ist auch genau das, ein kleiner, großer Brecher. Nur verwehrt IHR diesem Titel, eben das zu sein, nicht der Entwickler.
Verschmähte Visionen
Da kommt so eine Firma einfach auf die Idee, ein Ende für seine selbst entworfene Trilogie zu schaffen. Fanden die Fans blöd, weswegen auch alle ganz doll laut geschrieen haben. Hat die Firma gehört. Die fanden dann selbst ihr Ende auch doof, also haben sie ein Neues gemacht. Dann haben sich die Fans gefreut und die Firma auch. Nur ich fand’s doof.
Natürlich, BioWare haben jedes Recht der Welt, ihr eigenes Werk, in diesem Falle Mass Effect, so oft und auf jede beliebige Art zu verändern wie sie lustig sind. Was mir nur dabei fehlt: Eier. Ich mag Entwickler, die einfach Eier haben. Meine Güte, ihr habt’s doch so geplant – zieht es einfach durch! Sind alle angepisst? Prima – niemand muss immer alles mögen. Jeder heult beim Ende von Titanic – sollten wir sie nicht lieber doch nicht versinken lassen? Irgendwie eine blöde Idee.
Bei keinem anderen Medium, weder Film noch Buch oder Musik, wird so oft und so viel herumgewurschtelt, bis auch der letzte potentielle Hassist zufrieden ist und Ruhe gibt. Auf der Strecke bleibt dabei nur die ursprüngliche Vision. Nicht jede Idee ist super, ohne Frage. Natürlich muss sich ein Spiel, wie jedes andere Medium, auch irgendwie verkaufen lassen. Ob aber wirklich immer alles für die Masse gleichgespült sein muss? Ich glaube, das würde für ziemliche Einseitigkeit sorgen. Was, in Teilen, wunderbar an so ziemlich jedem Shooter der letzten 10 Jahre deutlich ist – alles ist irgendwie ein bisschen Call of Duty.
Stil über Technik
The Order muss nun also offener sein, größer sein, länger sein. Ich frage mal ganz naiv: Warum?
Meines Eindrucks nach sind wir im grafischen Bereich mittlerweile an einem Punkt angelangt, wo eben jene Grafik tatsächlich nicht mehr alles ist. Manch Veteran mag sich kurz erinnern, dass es diesen Punkt bereits ein mal gab – nämlich bei den 2D Werken der 16bit-Ära. Die späten Super Nintendo – Titel taten sich grafisch alle nicht viel, jeder spielte auf einen mehr oder minder hohen Niveau. Die Unterschiede kamen dann durch den Stil: Ein Fifa 97 ist kein Harvest Moon ist kein Donkey Kong Country 3 ist kein Mortal Kombat 3.
Doch auch innerhalb der Genres gab es Vielfalt – wer ein mal ein Earthworm Jim mit einem Metal Slug oder Contra 3 vergleicht, der merkt: Laufen und ballern haben alle drei gemeinsam, trotzdem sind sie deutlich andere Spiele. Yoshi’s Island und Kirby’s Dreamland sind, bis auf das Merkmal Jump’n Run, doch jedes für sich einzigartige Spiele und wer Breath of Fire neben Final Fantasy stellt sollte selbst bemerken, das Varianz überdeutlich vorhanden ist. Warum muss also jetzt jedes Spiel unbedingt total offen, groß und lang, sprich: absolut gleichgeformt sein?
Der Messwert
Worauf ich nun hinaus will, ist folgendes: Wer das geschriebene Wort mag akzeptiert sowohl Kurzgeschichten als auch Romane, vielleicht sogar Mehrteiler – warum wird ein Spiel nach seiner Länge bewertet? Schlager ist technisch wohl in der Regel simpler als ein großes Orchesterstück – wird Musik nur nach der Komplexität bewertet? Ob die Mona Lisa jetzt mit gefühlten zweitausend Schattierungen in Öl gemalt ist oder nicht, macht sie nicht mehr oder weniger zur Kunst. Oh, da haben wir ja den schönen Begriff, nach dem sowieso so gerne gerufen wird. Kunst! Spiele sind Kunst!
Ich sage: Nein, sind sie nicht. Ich selbst schätze dieses Medium für seine zahllosen Möglichkeiten, für mich ist es Kunst, doch die Masse sieht das nicht so.
Die Masse, die möchte gerne Value for money sehen. Wenn ein Spiel ab Preis X Länge Y haben muss – dann ist Tetris wohl kacke, weil ich nach der Rechnung ja kaum was bekomme für mein Geld. So viel dann zu früher war alles besser, wir wurden grandios beschissen.
Die Masse, die will mehr Freiheit. Prima – spielt Skyrim. Oder GTA. Keinen Bock auf eine Kurzgeschichte? Dann ließ eine Romantrilogie.
Die Masse, die will Reviews. Macht auch total viel Sinn, weil Spiele ja sowas sind wie Toaster. Oder Waschmaschinen. A ist länger als B, aber C hat schönere Farben und ausserdem laufen die mit 2 Frames die Sekunde mehr. 10 out of 10, stop reading fucking reviews again!
Dein Ding
Mein Tipp: Spar dir den Hype. Scheiss auf das nächste Review. Kauf, worauf du Bock hast. Ich mag Meinungen, ich hör mir gerne an, was andere von diesem und jenem Spiel halten. Meinungen sind allerdings deutlich vielseitiger als Werbung oder Wertungen in starren Punkten und Prozenten es jemals sein könnten. Ich sage nicht, du darfst dich auf nichts freuen – das tue ich auch! Enttäuschung entsteht allerdings meist eher selten durch ein beschissenes Game, als viel mehr durch eine falsche Erwartung an selbiges.
Ich biete dir sogar direkt noch einen kostenlosen Service an, ich mache dir was kaputt: Deinen nächsten Hype. Final Fantasy 15 wird kein neues Final Fantasy 7. Das neue Zelda wird Macken haben. Im nächsten GTA geht es wieder um Gangster. Und das nächste Call of Duty… Ok, das wird wohl Call of Duty bleiben. Was auch ok ist.
Mein Vorschlag: Wenn das nächste Spiel erscheint, was einfach mal anders sein will, freu dich! Alternativ darfst du natürlich trotzdem motzen – aber dann heißt’s Fresse halten, wenn du nur noch 08/15-Ware bekommst. Ständig was Neues fordern und gleichzeitig jede Andersartigkeit ablehnen funktioniert nämlich nicht.
Ob also das nächste große Spiel wirklich das nächste große Spiel wird, hängt ganz alleine von einem einzigen Faktor ab: Dir selbst. Du musst nicht alles geil finden. Manchmal reicht es, etwas einfach nur zu mögen. Du darfst auch manches total doof finden, Leidenschaft und so. Ob dieses Medium aber überhaupt mal jemals mehr sein kann als ein Toaster und deine Waschmaschine, nun… deine Entscheidung, oder nicht?