GTA V oder auch: Danke für ein bisschen Präsenz

Games neg

Ach, GTA. Du wundervolles Ding, was einfach viel zu gerne aneckt und sich dabei selbst nicht ernst nimmt. Ich weiß nicht, wie viele Artikel ich seit dem Release vor ein paar Wochen zu GTA V mittlerweile gelesen habe. Ich weiß nicht, in wie vielen davon ich dann unglaublich viel darüber lesen konnte, wie sehr es die Jugend verroht, die Frauen unglaublich sexistisch darstellt, wie sehr es ja gar nicht die tolle Gesellschaftskritiksatire ist, die es gerne wäre, und so weiter und so fort. Vermutlich ging es irgendwie in jedem Artikel um mindestens eine dieser Sachen und mehr. Was auch nicht verkehrt ist.

Ja, es ist ja so unfassbar gewalttätig. Eine Folterszene, hui. Hab ich in zu vielen anderen Spielen schon gesehen, habe selber zu viele Soldaten gefoltert, um wirklich schockiert zu sein. Find ich’s gut? Geht so. Ich bin generell kein großer Fan von solchen Dingen. Passt es in die Welt von GTA? Ja, auf jeden Fall. Wenn ich mit dem Auto durch die belebte Fußgängerzone fahren kann, dann darf ich auch eine Folterszene sehen, so einfach ist das. Sowas erwarte ich von einem GTA.

Die Frauen. Ok, ein schwieriges Thema. Nur hübsches Beiwerk sind sie hier, ohne Frage. Relevant ist keine. Sollten sie es sein? Vielleicht. Eine starke Frauen(haupt)rolle könnte die Serie auch mal vertragen. Passt die Darstellung der Frau, wie sie hier gezeigt wird? Ja, aber natürlich! GTA V ist doch genau diese überspitzte Realität, die man doch letzten Endes von genau dieser Serie erwartet. Übergangster, Überautos, Überüberfall – also auch Übertitten ohne Übersinn. So etwas ist einfach offensichtlich bei GTA.

Überspitzte Realität übrigens. Ist das jetzt Satire? Ist das Gesellschaftskritik? Ich bin mir nicht sicher. Für mich ist GTA V ziemlich genau das, was ich erwartet habe: Ein Grand Theft Auto. Also ein Spiel. Spiel. SPIEL! Es ist einfach nur ein Spiel. Das muss nichts kritisieren – kann es aber. Tut es das? Ein wenig. Sicher bin ich mir da allerdings nie, weil es dann irgendwie immer doch eine kleine Ecke zu überzogen ist. Und alles mit einem fiesen Grinsen und einem Augenzwinkern zeigt. Realismus VS Spaß. Merkst’e? Merkst’e. Ein GTA muss für mich nichts bewegen. Ein GTA muss mir die Freiheit gönnen, die Sau rauszulassen. Tut es, alles ist gut. Eben das erwarte ich von einem GTA.

Warum schreib ich das jetzt alles hier? Nun, dieses GTA tut dann doch etwas. Eine Kleinigkeit, ganz nebenbei, die ich ihm eben dann doch nicht zugetraut hätte.

GTA V ist männlich, durch und durch. Will sagen: Heteromännlich. Hallo, Stereotypen. Saufen, rauben, Titten. Alles ist gut in GTAland. Und einer der drei Hauptcharaktere ist bi. Huch?

Zugegeben, so RICHTIG deutlich wird das eigentlich nie gesagt. Und, ebenfalls zugegeben, wir reden hier von Trevor. Trevor, das ist dieser Typ den ich erst mal gar nicht leiden kann. Der sieht scheisse aus, der benimmt sich scheisse, der ist einfach der komplette Unsymphat, der Antiheld also, nur ohne dabei Held zu sein. Einfach nur Anti. Das ist der, von dem ich wieder wegwechseln will – was ich aber erst mal nicht darf. Story und so. Ich gehe da jetzt mal nicht in’s Detail, soll ja Leute geben (wie mich), die das Ding noch nicht zu 100% durch haben.

Also hab ich da meine beiden netten Jungs, die ich mag, und muss auf ein mal diesen Typen spielen, den ich von Anfang an nicht mag. Fahr mit dem ein bisschen durch die Gegend, hau mal hier, mal da wem auf die Fresse, höre mir den einen oder anderen derben Spruch an. Irgendwas passiert dann mit mir und ich beginne zu grinsen. Ich weiß nicht mal genau, warum es passiert, aber ich fange an, diesen Typen zu mögen.

Trevor, das ist diese Sorte Mensch, die man nicht kennen will. Zumindest auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick, und auf den dritten und vierten erst, merke ich, wie sehr mir dieser Mensch dann aber doch irgendwie sympathisch ist. Nicht falsch verstehen – Trevor ist das geborene Arschloch. Aber er ist es auf seine Art, und die ist ehrlich. Die ist direkt. Mit der kann ich leben, mit der kann ich umgehen. Während also Franklin, dieser junge Typ aus der Ghettogegend, einfach nur immer belangloser wird und Michael, dieser komplett Unberechenbare mit seinen Stimmungsschankungen, immer unangenehmer wirkt, weiß ich bei Trevor steht’s worauf ich mich einlasse: Auf alles.

Was ich allerdings nicht erwartet hätte, wäre einen Hauptcharakter eines Grand Theft Auto mal neben einem Typen aufwachen zu sehen.

Vielleicht bin ich da einfach etwas hellhörig. Ich bin ja halt auch selber schwul, vielleicht achte ich dann auf so eine Sache mehr. Wie auch immer, die Spielewelt ist nach wie vor eine sehr stereotypische Welt. Zu viele schwache Frauen, zu viele übermännliche Testosteronmännchen, ihr wisst selber, was ich meine. Und genau deswegen war ein Teil von mir doch mehr als überrascht, so etwas ausgerechnet in einem GTA sehen zu dürfen – ein Spiel voll mit dieser steorotypischen Männlichkeit, voll mit Titten und Gewalt.

Das ausgerechnet Trevor jetzt derjenige ist finde ich eigentlich sehr geschickt. Er ist derjenige, der man ja irgendwie nicht so ganz sein will. Mal ehrlich: Wer kann sich denn mit DEM identifizieren? Eben. Es ändert aber nichts daran, dass, zumindest ist dies mein Eindruck, Trevor einfach bei den meisten mit am beliebtesten ist. Ich habe noch nirgendwo gesehen, dass irgendwer, der GTA V spielt, Trevor nicht mag. Irgendwas hat dieser Typ an sich, was einfach jeder mag. Vielleicht ist es eben die Art, wie er Arschloch ist. Es ist auf seine unberechenbare Art berechenbar, und überrascht uns doch irgendwie immer mal wieder.

Ob er jetzt besoffen auf einer Brücke wach wird, nach dem man zu ihm wechselt. Ob er grade in Unterwäsche aus einem Stripclub kommt und die Ladys buchstäblich vor ihm davonlaufen. Ob er grade irgendwen in seinem Kofferraum durch die Gegend fährt. Ob er grade neben einem Typen aufwacht und noch nett „Beim nächsten mal darfst du Löffelchen machen“ sagt. Oder ob er grade einem Kerl sagt, er müsse ihm keinen blasen – ein Handjob tut’s auch.

Schwul. Bi. Das sind Sachen, die kenne ich aus Mass Effect. Wenn man sich ein wenig anstrengt. Die kenne ich aus Fable. Ein paar mal flirten reicht in der Regel. Das kenne ich aus Skyrim, wenn das Charisma hoch genug ist.

Hat jemand Fahrenheit gespielt? Der Nachbar von Carla, der war schwul. Wenn man grade Lucas überführen muss kommt er mit einer Flasche Wein rüber und man kann ein bisschen mit dem reden. Wie der hieß? Keine Ahnung, war ein unbedeutender Nebencharakter. Ok, ok, Ballad of Gay Tony, ist ja gut. Ist auch ein Nebencharakter. Alles nur Optionen, Nebencharaktere, nicht der Fokus, nicht so relevant. Alles schön am Rand, damit sich auch ja keiner daran anstößt. Ist ok.

Im Videospielland, da bin ich es gewöhnt Stereotypen zu sehen. Titten und Gewalt in Grand Theft Auto, dass ist so ziemlich das, was ich erwarte. Überrascht zu werden gehört hier eher weniger dazu. Und ausgerechnet in so einem Spiel einen Hauptcharakter zu finden, der diesem Stereotyp eben nicht entspricht, ist definitiv eine Überraschung. Eine positive.

Ich weiß nicht, wie oft ich bereits die „Muss man sowas denn ständig zeigen?“ – Diskussion geführt habe. Ich sage: Ja, muss man. Ich weiß ebenfalls nicht, wie oft ich schon die „Muss man dass denn immer betonen?“ – Frage gehört habe. Ich sage wieder: Ja, muss man.

Meine Realität sagt mir, dass ich in einer ziemlich ok’en Situation lebe. Ich bin geoutet. Ich mache daraus kein Geheimnis, ich muss daraus auch keines machen. Ich habe weder Grund noch Lust, mich und was ich bin zu verstecken.

Ich sehe auch, dass dies nicht überall so ist. Mir fehlt zwar das Geld zum Reisen, aber nach Russland sollte ich wohl momentan lieber nicht. In die Vereinigten Arabischen Emirate komme ich vermutlich auch gar nicht erst. Die untersuchen einen jetzt nämlich vorher. Oder so. Ich sehe  Jugendliche, die aus ‚christlichen Familien‘ kommen und um Hilfe bitten, weil sie nicht wissen wie sie weiterleben sollen, leben können, mit dieser Sünde. Ich sehe eine Realität, die eben noch alles andere als Ok ist.

Muss man das zeigen? Jap. Muss man das Betonen? Yes. Und wenn das Ganze passiert in dem ich einem durchgeknallten Psychopathen spiele, der so ganz nebenbei einer von drei Hauptcharakteren ist in einem der bislang erfolgreichsten Spiele aller Zeiten, dann ist das einfach mal Präsenz. Eine Präsenz, die einfach immer noch viel zu oft schlicht nicht vorhanden, jedoch nötig ist, damit das eben normal sein kann. Nur, was ich gewöhnt bin, kann ich einfach als normal akzeptieren.

Also: Danke, Rockstar. Ich verzeihe euch das Onlineservermistdingsi. Ich schenke euch meine 4 Autos, die einfach in der Garage verschwunden sind. Den belanglosen Franklin. Das Ruckeln, wenn ich mal wieder zu schnell fahre und die Konsole fast stirbt. Ihr habt da etwas gemacht, was ich euch nicht zugetraut habe. Die ganzen coolen Call of Duty – Jungs zocken das. Die Generation „Schwuchtel, Alter“ zockt das. Ihr packt Trevor da rein. Einen Psychopathen. Einen sympathischen Antisympathen. Und der ist ganz selbstverständlich Bi. Dafür ziehe ich meinen Hut.

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